Der Veranstalter schreibt auf seiner Homepage: „Eine familiäre Trainingsveranstaltung in entspannter Atmosphäre. Jene Fahrer, die eine besondere Herausforderung suchen und Spaß an der Navigation haben, sind bei uns richtig.“ Gesagt, getan. Max und Taye meldeten sich an und der bekannte Motorradtuner Dieter Briese kümmerte sich vorab und während der Veranstaltung um Technik und Wartung der Bikes.
Mit zum Team gehörten neben Taye, Max und Dieter auch Tayes Vater Hein Perry sowie der Motorrad-Verkaufsleiter von Motorradtechnik Geenen, Robert Bonn. Außerdem gingen drei zugelassene, homologierte Fahrzeuge mit auf die Reise: eine KX450X für Taye, eine KX250 für Max und als Servicebike eine KLX125 für Dieter. Schon beim Grenzübergang von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina warteten die ersten Herausforderungen auf das Team. Da Dieters Pass nicht mehr gültig war, musste er in Sarajewo Zwischenstation machen, um beim dortigen Konsulat eine Verlängerung vornehmen zu lassen. Die anderen fuhren schon einmal weiter zum Treffpunkt im bosnischen Kupres.
Hier fand traditionell am Abend der „Sturm auf Kupres“ statt, bei dem alle Teilnehmer in Kolonne vom Biwak, dem Hauptlager der Rally, in den Ort fuhren und gemeinsam mit den Einwohnern einen festlichen Abend verbrachten.
Nach der Rückkehr ins Fahrerlager folgte das erste Briefing des Veranstalters. Dabei wurde die Etappe des kommenden Tages vorgestellt, was die Basis für das Roadbook der Piloten bildete. Im Mittelpunkt des Fahrerlagers steht Jahr für Jahr ein Skihotel, das im Sommer selbstverständlich keine Gäste beherbergt. Um dieses Hotel herum entstand ein riesiges Biwak für die 500 Teilnehmer.
Das bedeutet: ein lebendiges Durcheinander aus Vans, Rennzelten, Trucks, Wohnwagen und Campingzelten. Dazwischen tummelten sich rund 500 Offroad-Bikes in allen Farben und Variationen. Die Organisation befand sich in der Hotellobby, vor dem Hotel standen Händler und Dienstleister für den Fahrbetrieb parat. Vom Reifenwechsel bis zum Motorradverleih war alles möglich.
Die Rallye wird grundsätzlich von einer Sanitätscrew mit Pickups und Motorradsanitätern begleitet, zudem gibt es Fahrzeuge der technischen Bergung und einen Prerunner, welcher jeden Morgen die Etappe vor dem Fahrerfeld abfährt. Jeder Fahrer trägt einen GPS-Tracker mit Notruffunktion.
Tag 1:
Der erste Rallytag wartete: Der Ablauf gleicht einer richtigen Rallye-Veranstaltung mit technischer Abnahme, Checkpoints und Fahrerlager. Es gibt keine Zeitnahme und Auswertung einzelner Stages. Nur die Gesamtzeit zählt. Der Veranstalter weist deutlich darauf hin, dass die Rally ausschließlich für fortgeschrittene Enduro-Fahrer geeignet ist. Jede Etappe hat eine Länge von mindestens 150 km.
Am ersten Tag war das Feld noch komplett. Das Gedrängel am Start war dementsprechend groß. Asphaltpassagen wechselten sich mit ausgedehnten Schotterpisten ab. Danach folgte eine kurze Kletterpartie auf einen Bergpass. Jetzt wartete das erste echte Hindernis: ein steiniger, steiler und langer Anstieg. Hier trennte sich die Spreu vom Weizen und einige Piloten großvolumiger Zweizylinder mussten bereits aufgeben. Ganz anders Taye und Max. Beide konnten spielerisch eine hohe Pace gehen und dabei das Potenzial ihrer kraftvollen und wendigen KXen voll ausschöpfen. Nach Abschluss der Etappe kam es dann im Fahrerlager zu einem Wiedersehen mit Dieter, der per Linienbus aus Sarajewo ankam. Das Team war wieder komplett.
Tag 2:
Taye und Max wollten den Stau am Start nach der Erfahrung am Vortag vermeiden und die beiden standen deshalb schon früh am Start. Die Strecke war geprägt von staubigen Pisten und weiten Steinfeldern, die durchfahren werden mussten. Höhepunkt war eine Schluchtendurchquerung, die so eng war, dass kein Geländewagen hindurch gepasst hätte. Es ging bergauf und bergab auf engen Pfaden mit tiefen Abhängen zu atemberaubenden Panoramen. Wie auf jeder Etappe konnten sich die Fahrer bei einem Boxenstopp im Camp von Klimb erfrischen und die tolle Aussicht von einem Berggipfel aus genießen. Taye und Max kamen zeitig und wohlauf zusammen im Biwak an, verstaubt aber glücklich.
Tag 3:
Die längste Etappe stand an. Das Starterfeld war schon ziemlich ausgedünnt, als die Startflagge fiel. Große Landstraßenanteile wurden immer wieder von knackigen Offroadpassagen abgelöst. 70 km vor Etappenende waren Taye und Max auf einer öffentlichen Straße durch die Stadt Donji Vakuf unterwegs. Max musste hier leider erfahren, dass bei einer solchen Rally wirklich überall Gefahren lauern. Auf einem kurvigen Anstieg der Straße wurde Max von einem Lieferwagen erfasst. Er reagierte blitzschnell und konnte rechtzeitig im Moment des Einschlags von seinem Motorrad abspringen. Die KX wurde von der Wucht des Aufschlags in zwei Teile gerissen. Der Fahrer des Lieferwagens hatte sein Handy in der Hand und war abgelenkt gewesen. Glücklicherweise kam Max mit dem Schrecken und einigen Prellungen davon. Es folgte eine langwierige Vernehmung durch die örtliche Polizei.
Tag 4:
Diesen Tag verbrachten Taye (als Zeugin) und Max auf dem Polizeirevier und der Vorführung vor einem Schnellrichter. Obwohl Max den Unfall nicht verschuldet hatte, kam er erst gegen Zahlung eines Bußgeldes wieder frei. Das gehört auch zu den Abenteuern, die man in Bosnien erleben kann.
Tag 5:
Das Fahrerfeld hatte sich weiter gelichtet. Auch Max konnte selbstverständlich nicht mehr teilnehmen. So ging Taye alleine auf die letzte Etappe. Sie absolvierte die Herausforderungen wieder fehlerfrei und kam auf Position 4 in der Roadbook-Klasse sowie auf Position 5 im Gesamtklassement ins Ziel. Ein riesiger Erfolg für die Pilotin, ihre KX450X und das gesamte Team!
Was bleibt?
Die Bosnia Rally ist eine einzigartige Veranstaltung, landschaftlich atemberaubend und genau das Richtige für alle, die Herausforderung und Abenteuer suchen. Für Anfänger im Endurosport sind die langen und schwierigen Strecken allerdings definitiv nicht geeignet.
Bosnien ist ein faszinierendes Land mit freundlichen und hilfsbereiten Menschen, auch wenn der Krieg in den 1990er-Jahren spürbare Folgen hinterlassen hat. Für Westeuropäer ist es nahezu unvorstellbar, wie frei man sich hier mit Motorrädern auf unbefestigten Pisten und durch malerische Panoramen bewegen kann. Die Stille, Weite und Einsamkeit dieser Orte bleiben jedem in Erinnerung.
Ein Besuch dieser Region mit einem geländefähigen Motorrad ist absolut zu empfehlen, allerdings unbedingt mit den nötigen Versicherungen.